Essen ist eine wichtige kulturelle Angelegenheit. Essen ist gesellig und sozial, es verbindet und fördert die Gemeinschaft. Essen bringt zu den unterschiedlichsten Gelegenheiten die Menschen an einem Tisch zusammen. In einem Land in dem man zur Begrüßung fragt „hast du schon gegessen“, nimmt Essen, und damit verbunden das Kochen, einen noch höheren Stellenwert ein als anderswo.

Thai Kochbücher gibt es erst seit etwa 110 Jahren

Thailändische Kochbücher sind tatsächlich ein relativ junges Phänomen, das erste Kochbuch wurde erst 1908 von Lady Plian Phasakorawong, unter dem Titel Mae Khrua Hua Pa (oder „Talented Women Chefs“) publiziert. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden Rezepte mündlich und meist nur innerhalb der Familien weitergegeben. Die Rezepte wurden eifersüchtig gehütet, denn Großfamilien konkurrierten in Kultur, Vermögen und prestigeträchtigen Titeln gleichermaßen. Die alten Kremationsbücher sind bis heute eine Quelle der Inspiration für Köchinnen und Köche, die sich auf asiatische Küche spezialisiert haben. Aber beginnen wir am Anfang…

Lady Plian Phasakorawong

Lady Plian Phasakorawong

Die Geschichte der Bestattungsbücher

Die genauen Hintergründe sind, wie bei vielen Traditionen, nicht ganz klar. Historiker gehen davon aus, dass die Bücher aus dieser Tragödie heraus entstanden sind:

Eine der Frauen von König Chulalongkorn Rama V, die schwangere Königin Sunandha Kumariratana, war 1881 mit ihrer Tochter im königlichen Boot auf dem Fluss Chao Phraya unterwegs zum Sommerpalast, als es mit einem Dampfschiff kollidierte und daraufhin kenterte. Für den weiteren Verlauf gibt es zwar verschiedene Varianten, doch keine davon ging am Ende gut aus. Zum einen durfte man einem alten Gesetz zufolge Mitglieder der königlichen Familie nicht berühren, und somit auch nicht retten. Zum anderen gab es den Aberglauben, dass jemand der einen Ertrinkenden rettet die Wassergeister erzürnt, und später von ihnen als Ersatz geholt wird. Jedoch wird auch von einem vergeblichen Rettungsversuch durch die Besatzung berichtet. Wie immer es auch gewesen sein mag, beide Frauen ertranken im Fluss.

Königin Sunandha Kumariratana

Königin Sunandha Kumariratana

Der König war tief erschüttert von Trauer über den Verlust von Frau, Tochter und seinem ungeborenen Sohn, und rief zu einer so prunkvollen Bestattung auf, wie es sie noch nie zuvor gegeben hat. Zum Gedenken ließ er 10.000 Exemplare des Kremationsbuches drucken. Dies soll die Geburtsstunde der „Nangsu Anuson Ngansop“, der Gedenkbücher zur Bestattung, gewesen sein.

Geschichtlichen Belegen zu Folge war es vor diesem Ereignis Brauch, kleine Geschenke bei Bestattungen zu verteilen und es gab auch bereits kurze Handschriften die dem Leben des Verstorbenen Beachtung schenkten. Als 1835 die Druckerpresse in Thailand Einzug hielt, wurden aus diesen Handschriften vereinzelt umfangreichere, geruckte Schriften.

Wie die Rezepte in die Kremationsbücher kamen

Diese oft kunstvoll gestalteten Bücher befassten sich mit dem Leben des Verstorbenen. Es handelte sich um eine Art Biographie, es wurden Titel, Taten und Leistungen aufgelistet, Texte buddhistischer Philosophie eingefügt und Familienfotos und Fotos mit bekannten Persönlichkeiten abgedruckt.

Anfangs fanden diese mehr oder weniger neuartigen Bestattungsbücher hauptsächlich in den gutbetuchten Adelsschichten wohlwollenden Anklang. In asiatischen Kulturen ist die Darstellung nach außen besonders wichtig, und so kam es dass der Adel sich über die Maßen in den Büchern selbst inszenierte und sich eine Familie mehr abzuheben versuchte als die andere.

König Rama V fand das mit der Zeit recht langweilig. Im Jahr 1904 proklamierte er, dass „diese Bücher zu lesen einfach nur noch unerfreulich ist“, und forderte die Menschen zu mehr Witz, Fabeln und Fiktion darin auf. So hielten dann Anekdoten aus dem Leben, Texte von Lieblingsliedern, Beschreibungen von Lieblingsorten und auch Lieblingsspeisen des Verstorbenen Einzug in die Kremationsbücher.

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König Rama V war übrigens ein sehr bemerkenswerter Mann. Erfahre in unserem Beitrag „Chulalongkorn Memorial Day“ mehr über ihn.

 

Chulalongkorn
Essen bekam in den Bestattungsbüchern einen immer höheren Stellenwert, denn man war stolz auf seine Traditionen. Insbesondere in den Büchern von Frauen fanden Rezepte Einzug, denn Frauen waren zu dieser Zeit fast ausschließlich im Haushalt tätig. Familien grenzten sich durch individuelle Eigenheiten und über Generationen überlieferte Rezepte beim Essen von anderen ab.

Das bekannte Massaman Curry stammt zum Beispiel aus einem der vielen Bestattungsbücher der Bunnag Familiendynastie, einem der großen Häuser des alten Siam.

Der persische Kaufmann Sheikh Ahmad kam 1600 ins Königreich und trat in die Dienste von König Songtham, dort schaffte er es bis ins Amt eines „Samuha Nayok“, des Ersten Premierministers. Dieses Amt hatten dann auch noch viele seiner Nachkommen inne. In den Büchern dieser Familie finden sich noch mehr persisch inspirierte Gerichte.

Obwohl das Massaman Curry heute eines der beliebtesten und bekanntesten thailändischen Gerichte weltweit ist, wird es von vielen Thais immer noch als „fremd“ eingestuft, denn es wird mit einer Mischung aus getrockneten Kräutern zubereitet, während die traditionellen thailändischen Currys ausschließlich auf frischen Kräutern basieren.

Kremationskochbücher

Foto credit: www.chiangraitimes.com 

Die thailändische Küche auf internationalem Parkett

Der australische Küchenchef David Thompson ist stolzer Besitzer von mehr als 600 thailändischen Bestattungs(koch)büchern. Er gilt auch heute noch als DIE Koryphäe was thailändische Küche betrifft.

Sein berühmtestes Werk mit dem schlichten Titel „Thai Food“ ist nicht nur ein Kochbuch, er beschäftigt sich darin auch ausführlich mit Kultur und Geografie, Stammesstrukturen und Familienaufstellungen und mit europäischen Einflüssen auf die Thai Küche. Alleine dem Reis widmet er rund 20 Seiten.

Besonders macht dieses Buch nicht nur die Hingabe mit der es verfasst wurde, sondern auch und vor allem die Angabe alternativer Zutaten, der man absolut vertrauen kann. Man bekommt längst nicht alles was man für ein Curry oder eine Suppe braucht im Asia Markt. Zum Beispiel empfiehlt er für eine Suppe aus frischen Tamarindblättern, diese durch Sauerampfer zu ersetzten.

Wir haben dieses Meisterwerk über thailändische Küche hier gefunden:

Im englischen Original – neu

Thai Food_David Thompson_Englisch

In der deutschen Übersetzung – gebraucht

Thai Food_David Thompson_Deutsch

Kremationsbücher heute

Es gibt sie nach wie vor, jedoch ließen stetig steigende Rohstoff- und Produktionskosten die Anzahl der neuen Bestattungsbücher sinken. Auch geht man mit der Zeit, und so wird heute oft die ganze Zeremonie gefilmt und per Link an die Gäste versandt.

Die Thaiküche war immer in Bewegung, hat sich verändert und entwickelt und tut es auch heute noch. Einen großen Beitrag dazu leisten nach wie vor die Bestattungs(koch)bücher. Insbesondere Köchinnen und Köche interessieren sich für die Rezepte ihrer Ahnen und erarbeiten mit großer Sorgfalt moderne, kulinarische Interpretationen, die sie dann ihrerseits in ihre eigenen Kremationsbücher drucken lassen.

Dieses Foto stammt von der Book Expo Thailand 2020:

Book_Expo_Thailand_2020

By Paul_012 – Own work, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=94876631

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Wir haben in unserem Beitrag „Thaifood Rezepte – Das besondere an thailändischem Essen“ ein paar Lieblingsrezepte zusammen getragen.

Zitat von David Thompson:

„Thailändische Küche bedarf der Aufmerksamkeit des Kochs, verlangt, dass Zeit und Mühe aufgebracht werden, und erfordert immer wieder geübte Fertigkeiten, aber sie belohnt dafür auch mit sensationellen Geschmacksnuancen.“